Wirkungen und Grenzen der Homopathie


"Homopathie, das ist doch, wenn man mit ganz kleinen Mengen Medizin ber lange Zeit behandelt."

"... ein natrliches Heilverfahren ohne chemische Keule."

"Da wird noch der ganze Mensch behandelt und nicht nur die Krankheit"

"... strkt die natrliche Abwehr und hat deswegen auch keine Nebenwirkungen."

"Das ist eine sanfte Heilmethode."

Dies sind - sinngem wiedergegeben - die hufigsten Aussagen ber die Homopathie, die ich in zahlreichen Gesprchen zu hren bekam. Fast einhellig wurde der etablierten Medizin Borniertheit vorgeworfen, da sie trotz eindeutiger Erfolge die Homopathie nicht anerkenne. Folglich sei die Schulmedizin schuld, wenn einer Vielzahl von Patienten eine mgliche Hilfe versagt wird.

Will man wissen, ob dieser Vorwurf berechtigt ist, so mu man zunchst die homopathischen Vorstellungen und darauf beruhenden Prinzipien betrachten.

Die homopathische Arzneimittelprfung (AMP)

Um ein Arzneimittel zu finden, geht die Homopathie nach der von Hahnemmann - der diese Lehre vor circa 190 Jahren erdachte - aufgestellten hnlichkeitsregel vor. Diese besagt, da ein Medikament, das bei einem Gesunden bestimmte Symptome erzeugt, eine Krankheit, die diese Symptome hervorruft, heilen kann. Denken wir etwa an eine Vergiftung, so sollte man durch weiteres Verabreichen des Giftstoffes diese heilen knnen. Bereits das demonstriert die Fragwrdigkeit des Verfahrens. Auerdem ist zu beachten, da allein aus einem Bndel subjektiver Symptome im algemeinen keine Diagnose mglich ist. Dies fhrt dazu, da ganz unterschiedliche Krankheiten aufgrund eines zufllig gleichen ueren Erscheinungsbilds gleich behandelt werden (Beispiele in [3]). Hier drngt sich die Frage auf, wie Hahnemann berhaupt auf diese sonderbare "Regel" kam.

Dies ist nur historisch zu verstehen. Die Auffassung, da man Erkrankungen durch "Gleiches" oder "Entgegengesetztes" heilen knne, hatte schon Hippokrates vertreten. Um einen Einblick in die Wirkungsweise der fiebersenkenden Chinarinde zu bekommen, hatte Hahnemann dieses Medikament eingenommen. Dabei beobachtete er bei sich Fieber. Da mittlerweile feststeht, da Chinarinde bei Gesunden kein Fieber verursacht, hatte Hahnemann entweder eine individuelle Unvertrglichkeit, oder die Fiebersymptome waren nur subjektiv (Das Fieberthermometer war noch nicht erfunden und somit eine objektive Messung der Krpertemperatur noch nicht mglich). Hahnemann schlo daraus, da es sich allgemein bei Krankheitssymptomen um eine sinnvolle Gegenreaktion des Krpers handelt, die zu verstrken sei, um eine Genesung herbeizufhren. Dies ist jedoch unzutreffend.

Hierzu ein Beispiel: Bluthochdruckkranke verspren hufig keine Beeintrchtigung ihres Wohlbefindens. Dennoch ist, wegen der langfristigen Schdigungen an Herz und Kreislauf, eine Therapie erforderlich. Ist nun jedoch der Blutdruck gesenkt, so klagen manche Patienten ber Mdigkeit und eine Verringerung der Leistungsfhigkeit.

Das Potenzieren

Die Homopathie wird von ihren Anhngern zwar als Naturheilmethode oder sanfte Heilmethode bezeichnet, dennoch gehren zum homopathischen Arzneimittelschatz auch eine Reihe toxischer Substanzen, z.B. Quecksilber. Von daher bestnde die Gefahr, da der Patient vielleicht die Krankheit, nicht aber die Behandlung bersteht. Deshalb begann Hahnemann die Arzneistoffe folgendermaen zu verdnnen: Er mischte 1 Teil der Substanz durch krftiges Schtteln mit 9 Teilen eines Wasser-Alkohol Gemisches. Die so auf 1/10 verdnnte Lsung bezeichnete er mit D1. Hiervon nahm er ein Teil und verdnnte das nochmals auf die gleiche Weise, insgesamt also auf 1/100. Diese bezeichnete er mit D2. Entsprechend geht es weiter zu D3, D4, e.t.c. , so da die Zahl hinter dem D gleich der Zahl der Verdnnungsschritte und also gleich der Zahl der Nullen bei der Gesamtverdnnung ist. D6 bedeutet z.B. Verdnnung auf 1/1000000 gleich 1 Millionstel. Nicht in Wasser lsliche Substanzen wurden auf hnliche Weise durch Zerreiben mit Milchzucker verdnnt. Bei der Anwendung stellte er fest, da die schdlichen Nebenwirkungen mit grerer Verdnnung abnahmen, die Heilerfolge aber erhalten blieben oder sogar anstiegen. Da die Arznei anscheinend "mchtiger" geworden war, bezeichnete er die D-Verdnnungen als Potenzen.

Nun besteht jede, auf diese Weise behandelte, Ursubstanz aus einer bestimmten Zahl von Moleklen. Bei jedem Verdnnungsschritt wird diese Zahl auf 1/10 reduziert. Irgendwann einmal hat die Zahl der Molekle soweit abgenommen, da schlielich - im statistischen Durchschnitt - weit weniger als 1 Molekl im Wasser-Alkohol Gemisch enthalten ist. D.h. die Ursubstanz ist aus der Arznei vllig verschwunden. Dies ist ungefhr ab D23 der Fall. Derartige Prperate bezeichnet man als Hochpotenzen. Von Homopathen werden oftmals jedoch sogar noch hhere Potenzen gegeben, z.B. D60.

Um diesen Widerspruch zu beseitigen, postulieren diese, da die Wassermolekle (genauer: deren Elektronenhlle) durch das Durchmischen mit der Ursubstanz so verndert wrden, da sie als Arzneistoff wirken. Ein Beleg hierfr wurde nie erbracht, ebensowenig fr die Behauptung, da sich die homopathische Potenz von einer Lsung, die nicht stufenweise, sondern in einem Schritt erzeugt wird unterscheidet. Auch konnte keine Erklrung gefunden werden, warum Substanzen, die unabsichtlich, z.B. als Staub, in die Lsung gelangen, die Wirkung nicht beeintrchtigen, obwohl sie von der Menge her ein Vielfaches der Wirksubstanz ausmachen.

Im brigen ist der Zustand der Elekronenhlle eines Atoms in vielen Fllen direkt beobachtbar. Er bestimmt die Farbe der Substanz. Nach dem Vorstellungen der Homopathen mte man fordern, da es Farbstoffe gibt, die mit zunehmender Verdnnung intensiver werden. Oder betrachten wir statt des Sehens den Geschmackssinn. Bekanntlich knnen wir unsere Speisen nicht mit Hochpotenzen von Kochsalz wrzen. Es ist eigenartig, da die verschiedenen Homopathika zwar, bei der Heilung von Krankheiten, auf alle mglichen Krperzellen wirken sollen, aber niemals Wirkungen auf Sinneszellen auftreten.

Auch eine quantenmechanische Erklrung der Wirkung von Hochpotenzen wurde versucht: Aufgrund der Heisenbergschen Unschrferelation soll der Ort, an dem sich die Molekle befinden, nicht genau bestimmbar sein. Obwohl weggeschttet, sollen sich die Molekle in gewisser Weise immer noch in der Lsung befinden. Dies ist jedoch purer Unsinn. Die Unschrferelation gestattet die Bestimmung des Ortes eines Teilchens (sie verbietet lediglich das beliebig genaue gleichzeitige Messen zweier sog. konjugierter Gren, z.B. Ort und Impuls).

Klinische Tests

Wenn der Reihe nach alle Versuche, die Homopathie mit dem bisherigen Stand der Wissenschaft in Einklang zu bringen, versagt haben, bleibt nur noch, sie als vllig neue Erkenntnis auszugeben. Auch wenn die Wirkungsweise theoretisch (noch) nicht zu erklren ist, so mten doch die Belege, da die Mittel in der Praxis wirken, eindeutig sein. Von Verfechtern werden Studien und Einzelflle aus der Praxis angefhrt nach der Devise "Wer heilt, hat recht".

Sicher trifft es zu, da man fr eine pragmatische Anwendung medizinischer Methoden deren genauen Wirkmechanismus nicht verstehen mu. Es mu jedoch gesichert sein, da die behaupteten Wirkungen real und nicht nur in der Vorstellung des Heilers existieren. Wegen mangelnder Vergleichbarkeit knnen daher Einzelflle nicht als Beweis akzeptiert werden. Denn es wirken beim Heilungsproze viele Faktoren zusammen, so da es unzulssig ist, im nachhinein einfach ein eingenommenes Mittel zur Ursache zu erklren. Es ist zu bercksichtigen, da die Gesundheit des Patienten auch psychosomatisch beeinflubar ist. Diese Tatsache, einer Medikamentenwirkung ber die Psyche, bezeichnet man als Placeboeffekt. D.h. allein dadurch, da sich der Arzt mit dem Patienten beschftigt - was bei der Homopathie besonders eindringlich geschieht - oder dadurch, da der Kranke Vertrauen in das Medikament setzt, bessert sich die krperliche und seelische Verfassung, nach eines solchen Mittels, hufig drastisch.

Will man richtige Ergebnisse ber die Wirkung von Arzneimitteln erhalten, so mu der Placeboeffekt natrlich bei klinischen Studien ausgeschaltet werden. Dazu dient der sog. Doppelblindversuch. Man teilt die Testpersonen auf zwei Gruppen auf, die vllig gleich behandelt werden, bis auf den Unterschied, da die eine Gruppe das zu testende Medikament, die andere eine gleichaussehendes, jedoch inhaltsloses Mittel erhlt. Sowohl die Testpersonen als auch die betreuenden und den Erfolg bewertenden rzte erfahren erst am Schlu, welche Patienten tatschlich das Medikament erhielten. Dies ist erforderlich, um bewute und unbewute Tuschungen auszuschlieen. Trotz dieser Manahmen kann es vorkommen, da rein durch Zufall eine grere Zahl Personen in einer der beiden Gruppen gesnder ist. Um diese Fehlerquelle auszuschalten, mu der Versuch wiederholbar sein.

Beispiele solcher Studien sind in [1] zusammengestellt. Hier soll nur zusammengefat werden: Alle Versuche zum direkten Nachweis einer Wirkung der Homopathie waren negativ oder entsprachen nicht den obigen Kriterien.

Das Ende der Homopathie ?

Wie gesagt, erweist sich die Wirksamkeit homopathischer Hochpotenzen als gleich Null, wenn man den Placeboeffekt ausschaltet. Aber ist der Verzicht auf den Placeboeffekt in der Praxis legitim ? Ist es nicht die Pflicht des Arztes, jede Manahme, die seinem Patienten im Endeffekt nutzt, zu ergreifen, auch wenn diese ber die Psyche wirkt ?

Zweifellos. Hieraus kann sich eine Existenzberechtigung fr die Homopathie ergeben, wobei folgende Kriterien beachtet werden sollten:

1) Homopathische Behandlung nur durch eine in der wissenschaftlichen Medizin geschulte Person, um zu gewhrleisten, da die konventionelle Therapie,wo sie erforderlich ist, nicht vernachlssigt wird.

2) Aufklrung des Patienten ber die Wirkungsweise der Homopathie, zumindest wenn dies gewnscht wird. Voraussetzung ist dabei, da der Arzt diese Wirkungsweise selbst kennt, sich insbesondere ber die Fehlerhaftigkeit der seit Hahnemann bestehenden Deutung klar ist.

3) Verzicht auf Niedrigpotenzen schdlicher Substanzen.

4) Insbesondere ausreichendes Wissen auf seiten des Arztes ber den Placeboeffekt, etwa ber die Gefahr negativer Folgen einer Placebobehandlung (z.B. durch enttuschte Hoffnung).

5) Die psychologische Betreung sollte sich nicht in der Anwendung homopathischer Placebos erschpfen.

Auch soll hier darauf hingewiesen werden, da Homopathika unverhltnismig sind, wenn man den Gehalt an Wirksubstanz bedenkt.

Niedrigpotenzen knnen einen so hohen Anteil an Ursubstanz enthalten, da eine pharmakologische Wirkung nachweisbar ist. Damit ist diese Substanz jedoch nicht automatisch als Arzneimittel geeignet. Erst einmal stellen sich einige Fragen. Gibt es eine Erkrankung, bei der diese Wirkungen erwnscht sind ? (Dabei sind nicht nur die homopathischen Indikationen einbezogen.) Ist die Nutzen-Risiko Relation positiv ? Gibt es andere Therapien mit besserer Nutzen-Risiko Bilanz ? Welche der unter Umstnden vielen Inhaltsstoffe verursacht welche Wirkungen? Ist es mglich, die Substanz chemisch so zu ndern, da sich der Nutzen erhht, oder die schdliche Wirkung verringert ? Diese Fragen werden im Rahmen und nach den erprobten Methoden der klassischen Pharmakologie geklrt. Dabei erweist sich die homopathische Denkweise als nicht hilfreich: Ihre Bewertungen stimmen nicht mit der Realitt berein und sind daher nicht als Entscheidungshilfe geeignet. Eine gezielte Suche nach neuen Arzneistoffen ist einzig nach wissenschaftlichen Grundstzen mglich.

Homopathie ber alles

Die Homopathen sind mit der Einordung ihrer Therapie in den Bereich der Placeboanwendung nicht zufrieden. Da aber jede andere Einschtzung nicht mit wissenschaftlicher Erkenntnis vereinbar ist, wird einfach die gesamte Wissenschaft angegriffen. Man erklrt die Homopathie zur "individuellen" oder "ganzheitlichen" Therapie, deren Erfolg mit klinischen Tests nicht gemessen werden knne. Es handle sich dabei im Gegensatz zu wissenschaftlich erworbenem Wissen um "Erfahrungswissen".

Schon diese Bezeichnungen sind absurd. Schlielich ist das Sammeln von Erfahrungen ber die in der Natur ablaufenden Vorgnge Gegenstand der Wissenschaft. Es ist ein Verdienst der Schulmedizin, den ganzheitlichen Zusammenhang zwischen Psyche und Krper erkannt zu haben, im Gegensatz zur Homopathie die auf pseudomateriellen Hypothesen, wie z.B. einem "Gedchtnis" der Wassermolekle beharrt. Ebenso handelt es sich bei der erklrten "Individualitt" homopathischer Behandlungen um eine Schutzbehauptung. Auch individuell unterschiedliche Behandlungserfolge knnten anhand von Doppelblind-Versuchen statistisch nachgewiesen werden, da bei diesen eine individuelle Patientenbetreung jederzeit mglich ist.

Ein Letztes. Knnte es nicht sein, da die Homopathie "auf einer ganz anderen Ebene liegt", da sie sich z.B. einer Nachprfung entzieht , indem ihre Wirkungen in Testsituationen einfach verschwinden ?

Es ist niemand gezwungen, das Weltbild der Wissenschaft zu akzeptieren. Derjenige, der ohne dieses auskommen will, wird dann zwar frher oder spter bei der praktischen Umsetzung seiner Vorstellungen Schiffbruch erleiden, aber auch diese Tatsache braucht er ja nicht zu akzeptieren. Wenn solche Personen jedoch versuchen, fr sich Wissenschaftlichkeit zu beanspruchen oder sachfremden Einflu - z.B. politischen Druck - geltend zu machen versuchen, mu dem entgegengetreten werden.

Im Falle der Homopathie heit dies, da keine Aushhlung der Bestimmungen des Arztrechts, insbesondere der Verpflichtung, die aus wissenschaftlicher Sicht am meisten Erfolg versprechende Methode einzusetzen, vorkommen darf. Dies ist keine Intoleranz. Es ist die Konsequenz daraus, da der jedermann Anspruch auf Schutz seiner Gesundheit durch die Rechtsordnung hat. Die Freiheit, Unsinn zu praktizieren endet dort, wo die Gefahr besteht, da andere hierdurch geschdigt werden.

Zusammenfassung

Wir sahen, da das hompathische Denkschema nicht nur unbewiesen ist, sondern im Widerspruch zu vielfach bewiesenen wissenschaftlichen Tatsachen steht. Darber hinaus erwiesen sich bei systematischer Untersuchung homopathische Heilerfolge als auschlielich psychosomatisch verursacht. Aufgrund dieser - von der Schulmedizin lngst erkannten und untersuchten - Wirkung kann die Anwendung homopathischer Mittel angebracht sein.

Literatur

Um der Krze willen sind hier nur vier bersichtsartikel angefhrt in denen sich weitere Hinweise finden.

[1] Oepen, Irmgard, Besondere Therapieverfahren: Homopathie, anthroposophische Medizin, Phytoterapie. In Dlle, U. u.a. : Grundlagen der Arzneimitteltherpie, Bibliographisches Institut, Mannheim 1986

[2] Oepen, Irmgard, berlegungen und Anregungen zur Einschtzung der Homopathie,medwelt 37, 1424-1426, 1986

[3] Prokop, Otto, Homopathie. In: Auenseitermethoden in der Medizin, I. Oepen / O. Prokop (Hrsg.), Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1986

[4] Oepen, I., Schaffrath, B. Homopathie heute, Skeptiker 4, 38, 1991

Zurck zur GWUP page.


Obiges liegt ausschlielich in der Verantwortung der unten genannten Person und stellt keine Meinungsuerung der Universitt Regensburg dar

[email protected]

Letzte nderung: 19. Juni 1995