Der Autor ist katholischer Theologe und hat sich seit Jahrzehnten mit Erscheinungen befaßt, die als Wunder gedeutet werden. Schon seine Doktorarbeit betraf den Teufelsbanner und Wunderheiler johann Josef Gaßner, einen Zeitgenossen Franz Anton Mesmers. Später folgten Abhandlungen über die Erscheinungen in Fatima, die »stigmatisierte Seherin Anna Katharina Emmerick«, und den stigmatisierten Pater Pio von Pietrelcina. Sein bekanntestes Werk betrifft jedoch Therese Neumann aus Konnersreuth: »Konnersreuth als Testfall« (Manz Verlag, München 1972).
Hanauer ist der Meinung und kann sie begründen, daß es bei vielen (vermeintlichen) Wundem um menschliche Probleme und zum Teil behandlungsbedürftige Zustände geht. Den betroffenen Menschen wird aber eine angemessene Hilfe oder Behandlung vorenthalten, wenn man sie zur Befriedigung einer leider sehr verbreiteten Wundersucht - die nicht nur im kirchlichen Raum zu finden ist - zur Schau stellt. Auf Hanauers Schilderungen und Appelle gab es Zustimmungen, aber auch scharfe Proteste mit zum Teil recht unfrommen Worten. Wenig beeindruckt - jedenfalls nicht im positiven Sinne - zeigten sich Institutionen der Kirche, insbesondere Regensburger Bischöfe, die sich seit den zwanziger Jahren mit dem »Testfall« befassen. Seit einiger Zeit wird die Heiligsprechung der Konnersreutherin ernsthaft erwogen. Das bewirkte die härtere Gangart des unermüdlichen Mahners Hanauer. Spätestens jetzt sollte der Fall auch allgemeines Interesse, jedenfalls bei katholischen Christen, finden. So sollte nicht uninteressant sein, was ein kritischer Theologe hierzu dokumentiert hat.
Therese Neumann wurde nicht nur von vielen Menschen besucht. Sie wurde auch von mehreren Ärzten untersucht. Zu ihnen gehören namhafte Persönlichkeiten wie der Erlanger Psychiater G. Ewald, der 1927 darüber einen ausführlichen Bericht in der Münchener Medizinischen Wochenschrift veröffentlicht hat. Ferner hat J. H. Schultz, der Begründer des Autogenen Trainings, eine Stellungnahme - ebenfalls 1927 - in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift publiziert. Auch der Bonner Internist Paul Martini hat Therese Neumann 1928 aufgesucht und 1937, besorgt über unangemessene Darstellungen in der Laienpresse, den damaligen Regensburger Bischof in einem Brief davor gewarnt, daß »eine gewaltige Unwahrheit ... in die allerengste Verbindung mit der Kirche gebracht wird.«
Was wurde behauptet? Die Stigmatisierte soll plötzlich die Wundmale Christi empfangen haben, aus denen es zu bestimmten Zeiten blutete. Ferner soll sie mehr als 30 Jahre lang ohne Nahrung (oder fast ohne Nahrung) gelebt haben. übrigens ist Therese Neumann nicht die einzige Person, von der solches berichtet wird. Aber viele Fälle, die untersucht wurden oder bei denen die Wunden durch einen Gipsverband' dem Zugriff entzogen wurden, konnten als Betrug entlarvt werden. Therese Neumann und ihre Angehörigen haben sich erfolgreich gegen Prüfungen gewehrt. Eine 14tägige Untersuchung im Neumannschen Hause wurde offensichtlich unterlaufen, so Professor Ewald. Hier wäre eine Untersuchung in einer neutralen Klinik erforderlich gewesen. Es gibt andererseits auch Blutungen (vor allem verdünnt durch Gewebsflüssigkeit), die bei sensiblen Menschen aus den Augen oder Hautstellen austreten können. Solche Reaktionen sind auch von Hypnose-Experimenten bekannt. Sie als Wunder zu bezeichnen, besteht kein Anlaß. Eine Übersicht über diese Fälle hat der jetzt emeritierte Rechtsmediziner Professor Franz Schleyer veröffentlicht, der im übrigen Hanauer bei der Abfassung dieses Buches beraten hat.
Was den Fall Konnersreuth betrifft, so ist es noch nicht zu spät zu einer Meinungsbildung. Man kann Hanauer zustimmen, wenn er schreibt, daß das Zurücknehmen des »Wunders Konnersreuth« der katholischen Kirche sicher weniger schaden würde als die Beibehaltung einer Fehleinschätzung.
mit freundlicher Genehmigung der Autorin, Erstpublikation in Skeptiker 4/90 S. 26
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Letzte Änderung: 21. Januar 1998